Ein Artikel des Tagesanzeiger:
Der deutsche Psychologe Holger Cramer kommt zum Schluss, dass Yoga bei Krankheiten helfen kann. Es ist aber nicht unbedingt besser als andere Therapieformen.
unterscheidet die Yogatherapie von der Physiotherapie ?
Es ist die starke, konzentrierte Hinwendung zum Körper. Man achtet im Idealfall sehr darauf, was im Körper geschieht, und führt die Bewegungen nicht mechanisch aus. Ein Ausspruch, dem Yogameister B. K. S. Iyengar zugeschrieben, sagt, Yoga sei Meditation in Aktion. Dennoch: Es gibt keine Hinweise darauf, dass Yoga generell besser wirkt als andere Therapieformen.
Sie haben 312 Studien über Yoga ausgewertet. Kann Yoga heilen?
Yoga kann heilen, aber nicht alle Krankheiten. Gemäss den Studien lindert es eindeutig Rückenschmerzen. Wahrscheinlich hilft es bei Diabetes und Depressionen und kann die Lebensqualität von Brustkrebspatientinnen erhöhen. Aber es gibt keine Hinweise darauf, dass Yoga bei Schizophrenie hilft.
Wirken die unterschiedlichen Yogastile anders auf Krankheiten?
Bisher hat keine Studie die einzelnen Yogastile miteinander verglichen. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass jene Stile, die einen hohen Bewegungsanteil aufweisen, besser bei Diabetes oder bei Rückenschmerzen wirken, die durch mangelnde Bewegung begünstigt werden. Bei Asthma sind Yogastile mit vielen Atemübungen eine effektive Form, bei Depressionen oder Bluthochdruck jene mit einem hohen Anteil an Meditation, denn Stress kann diese Krankheiten noch verschlimmern.
Wann wird Yoga zur Therapie?
Ich würde sagen, sobald es mit dem Ziel betrieben wird, Krankheiten zu heilen und die Gesundheit zu fördern. Es kommt auf die Intention an. Nach dieser Definition fällt vieles unter «Yogatherapie» – eine spezialisierte Yogastunde in der Gruppe wie eine Sitzung, wo ein Lehrer nur einen oder zwei Patienten betreut. Letzteres ist vor allem in den USA verbreitet.
Hat Yoga Nebenwirkungen?
Wenn gesunde Menschen Übungen wählen, die für sie geeignet sind, ist das Risiko klein. Hingegen hat Yoga positive Nebenwirkungen: Es kann psychische Symptome wie Angst und Stress reduzieren, es erhöht die Reaktionsfähigkeit und verhilft zu einem besseren Körperbewusstsein – nicht nur in der Yogastunde, sondern auch im Alltag.
Seit wann wird Yoga im Westen wissenschaftlich erforscht?
Die erste Studie stammt aus den 70er- Jahren. Die meisten der 312 Studien wurden aber erst in den vergangenen zehn Jahren erstellt. Mittlerweile werden jedes Jahr bis zu 70 Studien veröffentlicht. Jede dritte stammt aus Indien. Dort spielt Yoga traditionell eine grosse Rolle, und die Studienergebnisse fallen tendenziell positiver aus. Jede vierte Studie kommt mittlerweile aber aus den USA. Die Amerikaner erheben schon länger, welche komplementärmedizinischen Verfahren verwendet werden. Da liegt es nahe, auch ihren Nutzen zu untersuchen. Der Staat stellt für die Forschung beachtliche finanzielle Mittel bereit. In Europa beginnt man nun allmählich, Yoga zu erforschen.
Ist dies ein Hinweis, dass sich die Haltung zu ändern beginnt? Hier haftet Yoga noch stark der Ruch des Esoterischen an.
Es kann sein, dass sich die Haltung gegenüber Yoga ändert. Viele Leute haben hier immer noch ein falsches Bild. Insbesondere Männer sehen Yoga oft als esoterisch an oder meinen, es sei eine reine Entspannungstechnik. Viele werden auch durch die Fotos abgeschreckt, die Yogis zeigen, die sich akrobatisch verbiegen. Die verbreitete Meinung wird dieser Lehre überhaupt nicht gerecht. Es existieren aber keine verlässlichen Zahlen dazu, ob Yoga im Laufe der Zeit vermehrt genutzt wird. Das wäre ein Zeichen für eine offenere Haltung.
Auf der anderen Seite wird Yoga auch gerne überhöht. So manche denken, es sei ausschliesslich gut und könne gar nicht schaden.
Es gibt natürlich Kreise – jene, die Yoga unterrichten oder üben –, die vor allem auf die positiven Aspekte achten. Der amerikanische Wissenschaftsjournalist William J. Broad hingegen fokussierte stark auf die Schäden, die Yoga verursachen kann – meiner Meinung nach zu stark. Ich denke, dass wir uns langsam einer guten Wahrnehmung annähern. Man schaut vermehrt darauf, für wen welche Übungen sicher sind, und wägt zwischen Wirksamkeit und möglichen Schäden ab.
(Tages-Anzeiger- Erstellt: 05.08.2015, 19:15 Uhr) von Jasmin Hopp
Gefunden auf: Tagesanzeiger
Danke für den wunderbaren Artikel